moll-Tonart mit "alten" Vorzeichen

Schwierige oder kniffelige Probleme, Feinheiten des Notensatzes etc.
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Manfred
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Registriert: Sa Aug 30, 2003 11:39 pm

Beitrag von Manfred »

Nur noch ein Nachtrag:
molodisches und harmonisches Moll sind keineswegs Erfindungen musikfeindlicher Theoretiker - zumindestens die alten Komponisten waren stolz auf ihre fundierte Kenntnis der Theorie und nutzten sie bei ihren Kompositionen. Man schaltete halt bei der Musik noch nicht das Hirn aus...
Zumindest bis zum Barock war das harmonische Moll ein reiner Tonvorrat, der übermäßige Terzschritt wurde konsequent vermieden. Melodisch wurde aufwärts immer auch die sechste Stufe erhöht, daher die gar nicht so seltene Schreibweise für d-moll mit einem B.

Manfred
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Ingo
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??

Beitrag von Ingo »

Lieber Manfred, das habe ich nicht verstanden: In welcher Tonart soll denn eine übermäßige Terz vorkommen? Meinst Du vielleicht eine übermäßige Quarte? »die gar nicht so seltene Schreibweise für d-moll mit einem B« finde ich auch etwas untertrieben …
Man kann nicht mit jedem Lied jeden ansprechen:
Der eine find’s gut, der andre muß brechen.

Ulrich Roski

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lotharochmann
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Beitrag von lotharochmann »

Ich kann Manfreds Ausführungen durchaus folgen. Bach geht in seinem Thema der zweistimmigen Inventio d-Moll zunächst in der Tonleiter stufenweise aufwärts bis zum b, dann folgt ein abrupter Sprung zum unteren cis (saltus duriusculus). Dann geht es quasi retrograd weiter (verm. Septimsprung aufwärts, Molltonleiter abwärts).
Hätte er die Tonleiter nach oben fortgesetzt, wäre die übermäßige Terz (b-cis) entstanden. Dies wurde bis in die Barockzeit hinein vermieden (s. diverse Themen von Bach, Händel u.a.).
Der Tonleiter-Aufstieg vom unteren Grundton bis zum oberen erfolgte durch Einflechten der erhöhten Sext und Septime, beim Abstieg wurde die aeolische Form verwendet. Also keine Tonleiter mit 7 verschiedenen Tönen, sondern ein Tonvorrat, der je nach thematischer Struktur anders eingesetzt wurde.
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Ingo
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???

Beitrag von Ingo »

Interessant, welche musiktheoretischen Ergüsse aus Yuvals simpler Frage sprießen: Ich verstehe jetzt gar nichts mehr; vielleicht habe ich in Musiktheorie ja nicht aufgepaßt, aber ich würde das Intervall zwischen b und cis als übermäßige Sekunde definieren und nicht als Terz.
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Ulrich Roski

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Manfred
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Beitrag von Manfred »

Du hast recht Ingo - da habe ich schneller geschrieben als gedacht: es ist natürlich keine Terz sondern eine Sekunde. Aber wie auch Lothar sagt: b-cis kommt höchstens abwärts vor - das aber gar nicht so selten.
Manfred
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lotharochmann
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Beitrag von lotharochmann »

Sorry, auch mir geht es wie Manfred: b-cis aufwärts ist natürlich eine übermäßige Sekunde und keine Terz!
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Alfred
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Beitrag von Alfred »

Da sind wir doch schon fast am Ziel zur Einigkeit. So soll Diether de la Motte für mich das letzte Wort haben:

"...Für die Komponisten ist Moll nie zum Problem geworden. Seine geringe Stabilität und Eindeutigkeit hat sie wohl eher gereizt als abgestoßen.
Unsinnig ist die Aufteilung der Elementarlehre in drei Arten Moll, in drei Molltonleitern. Da sie aber noch allgemein gelehrt wird, sollte man zwar keinen Gebrauch von ihr machen, sie aber kennen.
...Noch nie aber gab es z.B. eine Komposition in harmonisch Moll. Moll existiert nicht als Tonleiter, sondern als VORRAT VON 9 TÖNEN (Dur: 7 Töne), der jeder Moll-Komposition zur Verfügung steht."

Wer mehr darüber lesen möchte (speziell auch über die verminderte Sept zur Bachzeit), findet es in Motte's "Harmonielehre" ab S. 77.

Alfred
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Ingo
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Einigkeit und Recht

Beitrag von Ingo »

Ja lieber Alfred, hatte fast schon vergessen, welch nützliches Buch Diether de la Motte da geschrieben hat … Hättste das nicht mal eher zitieren können? Werde es gleich noch mal aus dem Schrank holen, wo es seit dem Beethoven-Kongreß 1977 steht.
Vielleicht war dies nur so eine typische Klavierspieler-Diskussion, weil die früher diese blöden Tonleitern mit übermäßigen Schritten üben mußten …
@ Manfred+Lothar: Auch den Besten passieren Fehler in der Hitze des Gefechts!
Nun habe ich de la Motte auch noch das letzte Wort genommen, aber die Frage »Mußt du immer das letzte Wort haben?« kann man wahrheitsgemäß eben nur mit Ja beantworten …
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Ulrich Roski

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