decresc. diminuendo und >

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Erhy
Beiträge: 297
Registriert: Do Mai 25, 2006 11:54 pm

decresc. diminuendo und >

Beitrag von Erhy »

Hallo,
habe hier eine Notenvorgabe mit reichlichen Vortragsbezeichnungen.

Da in einem Stück sowohl
decrescendo, diminuendo und die Gabel > vorkommen,
muss doch ein Unterschied in der Bedeutung liegen,
aber welcher?

Alle 3 deuten doch auf eine Verringerung der Lautstärke hin.

Danke für eure Deutungen
Erhy
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Tausig
Beiträge: 1870
Registriert: Do Feb 24, 2005 9:20 pm

Beitrag von Tausig »

Der Unterschied zwischen decresc., dim. und > ist derselbe wie der Unterschied zwischen rit., rall., allarg. und riten., und derselbe wie der zwischen einem Elefanten:

Was ist der Unterschied zwischen einem Krokodil?
– Im Wasser schwimmt es, an Land läuft es.
Was ist der Unterschied zwischen einem Elefanten?
– Da gibt es keinen Unterschied.
Was ist der Unterschied zwischem einem Krokodil und einem Elefanten?
– Bei dem einen gibt es einen Unterschied, bei dem anderen nicht...
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rennert
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Beitrag von rennert »

Wenn ich überhaupt decresc. oder dim. verwenden würde, würde ich die Gabel dann schreiben, wenn wenig Platz im Notentext vorhanden ist, oder das Notenbild durch zusätzliche ausgeschriebene Zeichen unnötig verkompliziert würde. Auch eignen sich ausgeschriebene Angaben besser um längere oder auch genauer definierte Entwicklungen vorzuschreiben; zum Beispiel durch Angaben wie poco etc. (also etwas "poco elefante" ...)
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Thomas Hauber
Beiträge: 478
Registriert: Sa Mär 27, 2004 3:51 pm

Beitrag von Thomas Hauber »

...doch doch, da gibt es schon Unterschiede, wenn auch nur marginale.
Grundsätzlich würde ich die Gabel auch nur dann schreiben, wenn die Strecke des Lauter-/Leiserwerdens nicht zu lange ist. Je nach Taktlänge sind es vielleicht 2 bis 4 Takte. Darüber hinaus würde ich die betreffenden Worte bzw. Abkürkzungen schreiben.

Einen Unterschied gibt es aber tatsächlich zwischen Gabel und "Wort". Z. B. kann in einem längerem (also über viele Takte hinweg) Anschwellen der Lautstärke auch mal ein kurzes Leiserwerden eingestreut sein, was aber nicht das stete Lauterwerden an sich hindert. Ich würde also ein "cresc" mit einer Diminuendogabel schreiben. Ein "Diminuendo" (oder dergleichen) wäre hier sicher fehl am Platz.
Thomas
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Tausig
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Registriert: Do Feb 24, 2005 9:20 pm

Beitrag von Tausig »

Hast ja Recht, Thomas Hauber. Auch ich würde für längere Abschnitte "cresc." schreiben, für kurze Schweller die Gabel nehmen. Die Bedeutung beider Zeichen ist jedoch dieselbe. Und daß man innerhalb eines längeren Crescendos auch immer nach zwei Stufen lauter mal wieder eine leiser werden muß, ist doch selbstverständlich und muß nicht notiert werden. Die meisten Gabeln sind, so gesehen, eh überflüssig, es genügt, die Großdynamik zu notieren. Denn wenn man's genau machen wollte, weil man mit dummen Spielern rechnet, müßte man die Resultierende aus Groß-, Kleindynamik und Phrasierung notieren -- sollte man dann vielleicht in dB-Angaben über jeder Note machen ...
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Thomas Hauber
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Registriert: Sa Mär 27, 2004 3:51 pm

Beitrag von Thomas Hauber »

Tausig hat geschrieben:Und daß man innerhalb eines längeren Crescendos auch immer nach zwei Stufen lauter mal wieder eine leiser werden muß, ist doch selbstverständlich und muß nicht notiert werden.
Wo hast'n das gelesen, Tausig? Ist diese deine Erkenntnis bratschbedingt oder hat deine Aussage einen fundierten Hintergrund? In einem Punkt gebe ich dir aber völlig Recht: der inflationäre Ge-/Missbrauch von Artikulationen und Dynamikangaben moderner Kompositionen (selbstverständlich nicht bei allen, aber leider bei vielen). Bach hat so gut wie gar keine Angaben gemacht und lässt somit aber auch viele Interpretationsmöglichkeiten offen. Bei Mahler z. B. wäre das schon nicht mehr so einfach, mit weniger "Zeichen" auskommen zu müssen, als Mahler selbst vorgeschrieben hat.
Ich musste (...äh, durfte!!) mal ein Werk eines Zeitgenossen setzen, in welchem keine einzige - und das ist keine Übertreibung! - Note vom Autor geschrieben wurde, die OHNE einem Artikulationszeichen oder einer Dynamikangabe versehen war. Da kommt beim Notensetzen Freude auf!
Ich wollte eigentlich jetzt nur sagen, dass es Komponisten gibt und gegeben hat, die sehr wohl wissen und wussten, wann sie ein Artikulations- oder Dynamikzeichen setzen mussten, um einen bestimmten Effekt zu erreichen. Hier wollten sie eben den Interpretationsspielraum ganz bewusst eingrenzen, um zu verhindern, dass ein Solo-Bratscher plötzlich eine Stelle aus ihrem Werk mit Eigendynamik (hier auch im wortwörtlichem Sinn) versieht.

Um es noch einmal zu betonen: Ich finde es durchaus korrekt und schlüssig, eine Decrescendo-Gabel innerhalb eines Crescendos zu verwenden. Denn wenn ich als Komponist das so will, dass genau an dieser einen Stelle hier ein Decrescendo einsetzen soll, obwohl alles lauter wird, dann hat das der Dirigent und das Orchester so zu akzeptieren, auch wenn es dem ein oder anderen gegen den Strich (hier im übertragenen Sinn) geht. Und das Decrescendo hat genau an dieser Stelle zu passieren, nicht irgendwo und irgendwann und aus dem Bauch heraus, weil "man's sowieso so machen würde", sondern exakt an dem Punkt, wo es geschrieben steht. Punkt. Aus. Basta!
Thomas
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