Darstellung Funktionstheorie

Schwierige oder kniffelige Probleme, Feinheiten des Notensatzes etc.
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Tausig
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Beitrag von Tausig »

Genau. Man nennt das dann die Subversivdominante mit queraltiertem Axial-Durchgang, besser bekannt unter dem Kurznamen "PDQ-Akkord", wobei "P" nicht für "Paralene" steht, sondern für "Pan", "D" für "Dämonium" und "Q" die Modellbezeichnung ist, weil dieser Akkord auf dem Pandämonium, Modell Q, der einzig spielbare war und aufgrund des Instrumenten-Klanges auch von unbedarften Hörern immer subversivdominantisch gedeutet wurde. Leider ist von Modell Q kein Exemplar erhalten, so daß Musikwissenshuber auf zeitgenüßliche Zeugnisse angewiesen sind (s. hierzu Deutsches Polizei-Archiv, Abteilung IV, Akte 56+). Dem Versuch, den Klang des Modells Q stufendiametrisch auf dem mit Vincent-Tastatur ausgestatteten Neodämonium (Deutsches Reichspatent, s. Patentschrift V/5-79-) nachzubilden, blieb der Erfolg bisher versagt, so daß die Frage weiterhin zu den PDQ-Unvollständigkeitsproblemen zu rechnen ist. Ein scheinbarer Beweis ihrer Lösbarkeit (Coopering, "Analen der Wissenschaft", Abschnitt 1-3-5-6) wurde seinerzeit von Uring und Ödel zweideutig widerlegt.
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wertheimer
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Beitrag von wertheimer »

zur h-moll Messe:

in dem Moment, wo aus dem ewigen Leitton "dis" ein "es" wird, entsteht, vom Baßton aus betrachtet, ein verminderter Septakkord mit tiefalterierter Terz, grundtonbezogen, wenn man das Konzept des verkürzten Akkordes akzeptiert, ein verkürzter Septnonakkord mit tiefalterierter Quinte, dessen Funktion in der folgenden G-Dur Kadenz dominantisch (bzw. doppeldominantisch) ist.

aber wie kann man die Strukturform griffig beschreiben? "doppelt verminderter Septakkord"? oder gar dreifach vermindert? (vom Baßton aus betrachtet sind tatsächlich alle weiteren Akkordtöne vermindert).
Es wundert jedenfalls nicht, daß das musikalische Geschehen zum tiefsten Klang der ganzen h-moll Messe führt, dem G-Dur Akkord mit dem kleinen "h" im Sopran. Das Grab ist zu...

ich weiß, dies alles hat mit dem eigentlichen Thema nichts mehr zu tun, man verzeih's
Hans Josef
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Beitrag von Hans Josef »

Bitte jetzt nicht noch eine Diskussion über die Auferstehung anschliessen, wo der Osterhase doch sooo nah ist...
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Tausig
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Beitrag von Tausig »

Selbstverständlich habe ich, wie jeder halbwegs ausgebildete Musiker, die h-Moll-Messe vollständig auswendig im Kopf, ich spiele sie morgens immer komplett durch, im Bratschenauszug, zum Wachwerden. Aber ausgerechnet diese Stelle war mir entfallen, ich mußte sie erst wieder suchen. Nun fand ich sie wieder:
http://finaleforum.superflexible.net/fi ... us_156.gif
und kann noch einmal ernsthaft dazu Stellung nehmen:

Ob man diese Chromatik so beschreibt, daß das Dis zum Es umgedeutet würde, bevor es zum D weiterschreitet, oder so, daß aus der Dur- eine Mollterz wird, indem das Dis zu D führt (gleichzeitig wird die None C zur Oktave H aufgelöst), wäre so oder so der vergebliche Versuch, solche chromatischen Rückungen mit unangemessenen Begriffen zu beschreiben. Weder mit Stufentheorie, noch mit Funktionstermini wird man das zufriedenstellend lösen. In Generalbaßbezifferung aber ist das ganz simpel, denn da schreibt man beim Dis einfach eine 7.

Meinst du mit "verminderter Terz ... grundtonbezogen" die Rückung von Dis nach D oder die (nicht notierte) Umdeutung von Dis nach Es? Wo ist da auf welchen Grundton bezogen eine verminderte Terz? Oder verstehe ich nicht, welchen Ton du meinst? Eine verminderte Terz sehe ich, baßtonbezogen, also als GB-Ziffer, erst beim Cis, nämlich das Es im Sopran.

Die Töne dis-fis-c1 hält Finale übrigens (zumindest ohne geladene Akkordbibliothek) für einen Cm b5/Es. Wahrscheinlich ist das die optimale Deutung...
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Hans Josef
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Beitrag von Hans Josef »

Vielleicht meint Wertheimer nicht den Akkord auf der 1 des 2. Taktes, sondern den Akkord auf der 3 des 3. Taktes. Dort kann man funktionsmäßig einen DD v mit Terz im Bass und tiefalterierter Quinte (c#, es, g, b) erkennen, der auch ganz brav in die Dominante D-Dur weitergeht.
Ansonsten bin ich Tausig's Meinung, dass man bei der Stelle davor lieber Stufen- und Funktionstheorie außenvor lässt. Vielleicht hantiert man hier mit dem Begriff "freie Leittönigkeit".
wertheimer
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Beitrag von wertheimer »

richtig, vielleicht habe ich beim Nachdenken über die Strukturen der musikalischen Grammatik etwas mit der Sprachgrammatik geschludert; in der Tat, der Akkord auf Zählzeit "3" des Taktes war gemeint.

Grundsätzlich ist es naturgemäß immer sehr problematisch, Stücke, deren harmonisches Fortschreitungsprinzip wesentlich aus Fauxbourdon-Sätzen besteht, funktionsharmonisch "deuten" zu wollen; (wie beschreibt man z.B. die Progression des enharmonisch scheinkonsitenten "Akkordes" (vielleicht ist das ja gar kein Akkord im eigentlichen Sinne) "cis - f - gis - h" in einen a-moll Sextakkord?)
schöne Ostern
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Peter A.
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Beitrag von Peter A. »

Schönberg nennt den Akkord auch übermäßigen 5-6. Diese Bezeichnung hat einfach mit der typischen Stellung zu tun, in der er in der Klassik und Romantik auftaucht:

DD 7/9 (klein) mit tiefalterierter 5 u weggelassenem Grundton. Diesen Akkord einmal umkehren. In C-Dur wäre das dann as-c-es-fis. as-es = 5 und as-fis = ü6, deshalb ü 5/6. Fast immer in DD Funktion. *Nie* als Subdominante, das ergäbe auch überhaupt keinen Sinn.

Der Akkord wird in dieser Stellung auch deswegen gerne verwendet, weil er dann klingt wie ein D7 und man ihn für Modulationen einsetzen kann (s. z.B. Beethoven, 5. Sinfonie 2. Satz), indem die ü6 als kleine 7 gedeutet wird. Beethoven: Modulation von As-Dur nach C-Dur (in As-Dur ist der Akkord Nebendominante zur Subdominante und in C-Dur ist es eben der DD ü5/6).

Als alternative, genauere Bezeichnung könnte man sagen:
DD 5-/7/kl.9 o.G. in 1.Umk. - das ist aber zu kompliziert auf Dauer.

An der HfM in Berlin unterrichten wir das so seit Eisler (der sich auf Schönberg bezieht). Hat sicher seine Schwächen, aber auch seine Berechtigung.
Gruß, Peter
Martin Gieseking
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Beitrag von Martin Gieseking »

Stammt das Symbol DD ü5/6 auch von Schönberg oder Eisler? Ich finde, es ist keine glückliche Bezeichnung, da es der übrigen Bezifferung in der Funktionstheorie widerspricht, denn die 5 und 6 beziehen sich nicht auf den Grundton der Doppeldominante. Einen Sekundakkord bezeichne ich ja auch nicht als D2. Als gängige Kurzschreibweise für DD 9>/7/5> kenne ich nur DDv/5>.

Der übermäßige 5/6-Akkord kann prinzipiell auch subdominantisch verwendet werden, z.B. in Form eine Subdominante mit übermäßiger Sixte ajoutée S 5/6< (f-a-c-dis in C-Dur). Würdest Du in diesem Fall S ü5/6 schreiben?
Dorico 5, Finale 2006c, Windows 11
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Tausig
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Beitrag von Tausig »

Die Verwendung des Akkords ist sicherlich allen klar, Peter A., bei Beethoven kommt er als Modulations-"Trick" alle Naslang vor. Die "falsche" Bezifferung, die das Symbol "DD" bei z.B. as-c-es-fis auf den fortgelassenen Grundton "d" bezieht, die Ziffern 5,6 aber auf das "as", ist mir zu inkonsistent, weil Ziffern sich bei Funktionsbezeichnungen sonst immer auf den Grundton beziehen. Wäre das "as" Grundton, könnte man wohl auch 5 6 sagen, aber dann wird's schwer, noch eine sinnvolle Funktionsbezeichnung zu finden: "tG 5 6+" wäre arg weit hergeholt und würde der Funktion des Akkordes nicht gerecht. "DD 5 6+" ist völlig mißverständlich, schließlich gibt es z.B. auch einen D6 und einen D5+, und dabei meinen die Ziffern ganz andere Töne als bei deinem DD ü56. Diese Inkonsistenz sollte man der HfM Berlin schleunigst austreiben.
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MassMover
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Beitrag von MassMover »

Ich könnt’ ja jetzt...

soll ich...

Das „S...” Wort...

„Subs...” „itu...”

Nein, ich lass es lieber.

MM
Hans Josef
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Beitrag von Hans Josef »

Hallo Peter,
Du sagst *nie* subdominantisch. Fändest Du das angehängte Beispiel so ungewöhnlich?
Gruss,
Hans Josef
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Tausig
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Beitrag von Tausig »

An das „S...”-Wort, Massmover, habe ich auch schon gedacht. In gewisser Weise wär's einfacher. Aber in anderer Weise bin ich nach wie vor der Meinung, daß es enharmonische Barbarei ist, as-c-es-fis als As7 zu bezeichnen -- das bringt ein klassisch ausgebildeter Musiker einfach nicht übers Herz...
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rennert
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Beitrag von rennert »

Es scheint also neben dem absoluten und dem relativen Gehör noch ein enharmonisches zu geben. Interessant!
Uli Rennert
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Peter A.
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Beitrag von Peter A. »

@ Hans Joseph - nenne mal ein Beispiel aus Barock/Klassik/Romantik, wo das so vorkommt. Klingt wie ich finde auch nicht überzeugend. Evtl. gibt es ja aber Beispiele, bin gespannt, ich kenne jedoch keine.

Das Bezeichnungsdurcheinander mit Elementen aus Stufentheorie, Funktionstheorie und Generalbass ist leider überall eine Tatsache. Wie gesagt: die Bezeichnung ü56, ü34 usw gehen direkt auf Schönbergs Harmonielehre zurück (ab S. 288 "An den Grenzen der Tonart").
Übrigens verwendet er durchaus auch D2 für den Dominant-Sekundakkord und entsprechend auch D3/4 und D5/6. Ein weiteres Beispiel für Vermischungen wäre die Tatsache, dass ein Trugschluss immer als Schritt von der D in die VI. Stufe bezeichnet werden muss (weil diese in Moll und Dur unterschiedliche Funktionen hat), ebenso gibt es verschiedene Ansätze, den Neapolitaner zu bezeichnen. Ich schreibe bei verminderten Sept-Akkoden auch der Einfachheit halbe Dv7 hin, obwohl klar ist, dass es laut klassischer Auffassung ein D7/9- ohne Grundton ist (manchmal durchgestrichen dargestellt, was ja optisch auch nicht gerade der Hit ist). Und wer mal bei Schönberg nachgelesen hat, wo er die sog. "Regionen" einführt, kommt vollends durcheinander.

Unterm Strich finde ich es aber egal, wie man etwas bezeichnet, das sage ich auch immer wieder meinen Studenten. Wichtig ist vielmehr, dass verständlich wird, was gemeint ist. Diese kryptischen Bezeichnungen sind sowieso nur ein Vehikel. Jeder soll die Bezeichnungen verwenden, die er am passendsten findet, die Musik möglichst genau zu beschreiben und die inneren Zusammenhänge darzustellen.
Gruß, Peter
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Tausig
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Beitrag von Tausig »

"Jeder soll die Bezeichnungen verwenden, die er am passendsten findet, die Musik möglichst genau zu beschreiben und die inneren Zusammenhänge darzustellen", ist zweifellos richtig. Aber besser ist natürlich, verschiedene Leute meinen mit denselben Begriffen nicht Unterschiedliches. Dafür haben sich Malers Schreibweisen doch als brauchbar erwiesen und sind längst allgemein akzeptiert.
Nach Maler ist das Kürzel für verkürzten D7/9- (D mit Schrägstrich) übrigens nicht Dv7, sondern einfach Dv (D ohne Schrägstrich). Ist das in Berlin auch anders als in Hamburg?

"Es scheint also neben dem absoluten und dem relativen Gehör noch ein enharmonisches zu geben. Interessant!" Daß scheihnt mir, Entschulldigung, keihn sonderlich kwalifitsierter Kommentahr. Schließlich würdest du wool auch nicht auf die Ideh komm, einn Diß-dur-Draiklang als diß-g-b tsu schreihbn, weil man ja nicht höhrn könne, wie er notiert seih. (Wie dieß nohtirt ist, kann mann auch nicht höhrn.)
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